Aufholjagd reicht nicht: St. Pauli vertagt den Bundesliga-Aufstieg
Ein wütender Holger Stanislawski peitscht seine Mannschaft nach vorne. (Foto: Witters)
Es hätte eine Party werden sollen am Millerntor. Doch statt der großen Sause gab es Katerstimmung. Nur einen Schritt brauchte es noch, um den Aufstieg klar zu machen. Hannover 96 schien der passende Gegner zu sein, schließlich ging es am vorletzten Spieltag für das Team aus dem Tabellenmittelfeld um nichts mehr. Mit einem 1:0-Sieg über Alemannia Aachen aus der Vorwoche ging der Kiezklub in die Partie am 13. Mai 2001 – voller Hoffnung.
Über 20.000 Zuschauer haben den Weg ins Stadion gefunden. Der Sekt ist bereits kaltgestellt, die letzten Vorbereitung für die große Aufstiegsparty sind vollführt, jetzt braucht es nur noch einen Sieg der Mannschaft von Trainer Dietmar Demuth. Während die Sonne hell vom Himmel herab scheint und die Glocken von „Hells Bells” durch das Stadion läuten, steigt die Vorfreude auf den Rängen ins Unermessliche. Das so lang ersehnte Ziel ist zum Greifen nahe, die Kiezkicker müssen nur noch einmal gewinnen.
Doch ausgerechnet Torwart Heinz Weber greift dann in der 14. Minute übereifrig daneben. Profiteur ist Oliver Schäfer, der etwas überrascht von seinem Glück zum Jubeln abdreht und Hannover in Führung bringt. Die Stimmung droht zu kippen, bei den Hausherren läuft nicht viel zusammen. Marcel Rath versucht es gleich doppelt aus der Distanz (22./27.), doch seine Schüsse fliegen beide Male über den Kasten hinweg. Dafür gibt es hinten den nächsten Patzer von St. Pauli: Einen Fehler von Markus Ahlf nutzt Jiri Kaufmann eiskalt aus – 0:2 nach 30 Minuten.
Die Stimmung ist am Gefrierpunkt, der sicher geglaubte Aufstieg droht im letzten Moment noch verspielt zu werden. Wie ein angeschlagener Boxer taumelt der FC St. Pauli in die Halbzeit. Jan Simak vergibt nach Wiederanpfiff sogar die große Chance auf das 3:0 für die Gäste. Erst ein angefressener Holger Stanislawski bringt die Kiezkicker in der 51. Minute schließlich wieder in die Spur. Mit seinem Anschlusstreffer geht ein Ruck durch die Mannschaft, er brüllt seinen ganzen Frust heraus. Immer wieder treibt der Kapitän seine Jungs von hinten an – und das zeigt Wirkung. Mehrere gute Chancen bleiben ungenutzt und als das Spiel auf die Zielgerade einbiegt, ist es Ivan Klasnic, dem doch noch der erlösende Ausgleich gelingt (82.).
Weil auch die Konkurrenz aus Fürth und Aalen patzt, hat St. Pauli immer noch alles in der eigenen Hand. Die Stimmung ist trotzdem getrübt an diesem Sonntag am Millerntor. „Das Tor interessiert mich nicht. Ich wollte einen guten Abschied und zwar mit Aufstieg. Das 2:2 ist keine Genugtuung. Die kann es nur in Nürnberg geben”, erklärt ein gefrusteter Ivan Klasnic, der den Verein im Sommer nach Bremen verlassen wird. „Alle vier Tore haben wir heute selbst gemacht”, konsterniert auch Holger Stanislawski. Henning Bürger richtet den Blick bereits nach vorne: „Jetzt kommt es zum entscheidenden Spiel in Nürnberg und das wird ein absoluter Albtraum. Wir müssen da volles Risiko gehen und hoffen, dass Nürnberg nach der Aufstiegsfeier noch ein paar Promille hat!”
In Nürnberg, wo der Club bereits als sicherer Meister und Aufsteiger feststeht, tut sich St. Pauli zunächst ebenfalls schwer. Bereits nach neun Minuten liegt die Demuth-Elf bereits zurück, ein absolutes Horror-Szenario droht, doch St. Pauli bekommt die Partie noch gedreht und siegt mit 2:1. Mit 60 Punkten und einem Zähler Vorsprung rettet man sich über die Ziellinie. Die Party, die eigentlich schon für die Vorwoche geplant war, muss jetzt eben in Nürnberg stattfinden. Doch auch bei den Nürnbergern bläst niemand Trübsal wegen der Niederlage: Als Trostpflaster bekommen die Franken die Meisterschale überreicht. Die Tränen, die im Frankenstadion fließen, sind ausschließlich Freudentränen – auf beiden Seiten. (mab)
Aufstellung FC St. Pauli: Heinz Weber – Holger Stanislawski, Andre Trulsen (71. Deniz Baris), Markus Ahlf – Dubravko Kolinger (56. Toral Konetzke), Henning Bürger, Zlatan Bajramovic, Thomas Meggle, Christian Rahn – Nico Patschinski (65. Ivan Klasnic), Marcel Rath