FIFA-Shootingstar „Musti“ vom FC St. Pauli greift nach Meistertitel
Wenn Mustafa Cankal am Wochenende um die deutsche Meisterschaft im eFootball kämpft, werden seine Eltern im Nebenzimmer wieder nervös mitfiebern. „Wenn ich ein Tor schieße, höre ich den Jubelschrei ganz leise. Dann bekomme ich immer Gänsehaut“, sagt Cankal. Der 20-Jährige vom FC St. Pauli, von allen nur „Musti“ genannt, eroberte in den vergangenen Monaten als Senkrechtstarter die FIFA-21-Welt. Erst seit knapp einem Jahr ist Cankal als professioneller eSportler aktiv, auch nur dank eines Deals mit den Eltern.
„Am Anfang waren sie ein bisschen skeptisch“, erzählt Cankal im SID-Interview: „Ich habe ihnen gesagt: Wir schauen mal ein Jahr, wie es läuft. Falls es nicht läuft, suche ich mir eine Arbeit.“ Muss er (noch) nicht, und aus den größten Skeptikern sind inzwischen seine größten Fans geworden. „Meine Eltern unterstützen mich sehr, seitdem ich in der Weltspitze angekommen bin“, sagt „Musti“. Es läuft in der Tat hervorragend. Im Februar gewann der gelernte Einzelhandelskaufmann ein renommiertes Qualifikationsturnier der Global Series, mit St. Pauli wurde er Vizemeister in der VBL Club Championship und zuletzt wurde der Hamburger sogar in die achtköpfige eNationalmannschaft berufen. Das vergangene Jahr sei „einfach nur perfekt“ gewesen, schwärmt Cankal, der eigentlich von einer Fußballkarriere bei den Kiezkickern geträumt hatte. „Ich habe acht Jahre bis zur U14 in der Jugend von St. Pauli gespielt“, erzählt er.
Doch dann: Verletzung, Karriereende, Enttäuschung. Dass der Traum einige Jahre später nun doch wahr wird, etwas unverhofft und in leicht abgeänderter Form, kam für Cankal unerwartet. „Vor der Saison hätte ich nicht gedacht, dass ich so weit kommen werde“, sagt er: „Aber wenn man hart trainiert und hart an seinem Traum arbeitet, dann ist alles möglich.“
Der Zweitligist entdeckte „Musti“ bei einem Probetraining und nahm ihn unter Vertrag. Dieser ist mittlerweile verlängert, andere Bundesligisten zeigten ebenfalls Interesse. Doch „ohne St. Pauli wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin“, sagt Cankal über seinen Herzensklub, „ein Traum ist in Erfüllung gegangen.“
Nun steht das VBL Grand Final um die deutsche Einzel-Meisterschaft vor der Tür. Für Cankal, der etwa drei bis fünf Stunden pro Tag trainiert, zählt nur eines. „Mein Ziel ist es, den Titel zu gewinnen“, sagt er voller Selbstvertrauen, „über alles andere wäre ich traurig.“ Auf der Xbox gehört Cankal zu den besten Spielern der Welt, in der Europa-Rangliste liegt er derzeit auf Platz zwei. Hinter Dylan „DullenMIKE“ Neuhausen, der ebenfalls zu den 32 Teilnehmern des großen VBL-Finales ab Freitag gehört. In seiner Wohnung fünf Minuten entfernt vom Millerntor, der Heimstätte des FC St. Pauli, peilt „Musti“ in den Finalspielen am Sonntag (ab 17.00 Uhr/ProSieben Maxx) den nächsten großen Meilenstein seiner noch jungen Karriere an. Laute Jubelschreie der Eltern nebenan nicht ausgeschlossen.