Heute vor 18 Jahren: St. Paulis Fans kämpfen um Thomas Meggle
FAN TRANSPARENT FC ST. PAULI fuer Thomas MEGGLE St. Pauli
Heute sind die Kiezkicker und Fans alle zu Hause, das wird sich wohl auch in den nächsten Tagen und Wochen nicht ändern. Die Coronakrise sorgt dafür, dass Profifußballer wie Büroangestellte ins Home Office müssen. Heute vor 18 Jahren war dies anders. Während es eigentlich die Spieler hätten seinen sollen, die sich tief im Abstiegssumpf befanden, waren es an diesem Tag die Fans, die kämpften. Für den Besten in den Reihen des FC St. Pauli: Thomas Meggle, dessen Vertrag eine Ausstiegsklausel beinhaltete. Diese war noch eine Woche gültig, eine Entscheidung über den Verbleib des Mittelfeldregisseurs nahte.
Am 23. März 2002 empfängt der FC St. Pauli den VfB Stuttgart. Der 28. Spieltag muss für den Kiezklub wichtige Punkte im Bundesliga-Abstiegskampf bringen. Nachdem man in der Vorwoche Mitkonkurrent Cottbus von den Abstiegssorgen vorerst befreit hat, in dem man sich eine 0:4-Klatsche einhandelte, müssen gegen Stuttgart, das ohne jede Aussicht auf Besserung im grauen Mittelfeld der Tabelle feststeckt, dringend Punkte her. Der Rückstand beträgt nur vier Punkte auf Platz 15 und zu Hause ist man in diesem Jahr noch ungeschlagen.
Vor dem Spiel zeigen die Fans einen weiteren guten Grund für einen Sieg auf. Fan-Liebling Thomas Meggle hat eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag, diese läuft noch bis Ende März, bis dahin muss also eine Entscheidung her. Während sein Berater in Spanien und Italien bei mehreren Vereinen vorstellig wird, kämpfen die Fans um den Taktgeber im Spiel des FC St. Paulis. Plakate wie „Thomas, du hast den knackigsten Arsch der Liga“ oder „Geht Meggle, verlässt mich meine Freundin – dann sind St. Pauli und ich wieder ganz alleine“ versuchen den Fan-Liebling vom Verbleib zu überzeugen.
Um so größer ist der Jubel, als ausgerechnet Meggle die Kiezkicker in der 24. Minute in Führung köpft. St. Pauli ist zu diesem Zeitpunkt überlegen, aber im letzten Drittel zu einfallslos. Doch der Jubel auf den Tribünen ist zu früh. Schiedsrichter Krug entscheidet auf Abseits – die TV-Bilder beweisen später eindeutig, dass dies nicht der Fall ist, doch das hilft St. Pauli wenig. Die Entscheidung steht, der Treffer zählt nicht und es steht weiter 0:0.
Die Gastgeber sind weiter feldüberlegen, schaffen es aber nicht, die ersatzgeschwächte Hintermannschaft der Stuttgarter ernsthaft ins Wanken zu bringen. Die wenigen Chancen, die es gibt vergeben Marcel Rath und Cory Gibbs. So biegt das Spiel in Richtung Zielgrade, als Krassimir Balakov sich ein Herz nimmt und nach einem schönen Solo aus 20 Metern abzieht. Laut klatscht das Leder an den Innenpfosten. Im Stadion herrscht Totenstille, als der Ball die Linie überquert. Aus dem Nichts führt der VfB eine Viertelstunde vor Schluss und es kommt noch schlimmer. Sechs Minuten nach dem 1:0 nickt Sean Dundee aus acht Metern zum 2:0 ein – die Vorentscheidung. Nicht nur in diesem Spiel, sondern wohl auch für die restliche Saison. Zu mutlos ist das Spiel von St. Pauli.
Das sehen auch hunderte Fans so und strömen zum ersten Mal in dieser Saison bereits vor Abpfiff aus dem Stadion. Sie verpassen das letzte Aufbäumen des Kiezklubs. In der 83. Minute, zwei Minuten nach dem 0:2, gelingt Matias Cenci der Anschlusstreffer. Und in der 89. Minute ist es wieder Meggle, der dem Spiel eine letzte Wendung verpassen kann, doch auch er scheitert. Selbst in der Nachspielzeit bekommt St. Pauli noch eine gute Möglichkeit, doch VfB-Keeper Thomas Ernst entschärft den Versuch von Cory Gibbs. So bleibt es beim 1:2 und St. Pauli taumelt in Richtung der Zweitklassigkeit und diesen Weg wird wohl einer nicht mit antreten: Thomas Meggle.
Als ob die Niederlage nicht schon bitter genug für die Fans ist, verkündet nach dem Spiel auch noch HSV-Coach Kurt Jara, man überlege, Meggle zum Stadtrivalen zu lotsen. Auch Hansa Rostock und Hannover 96 zählen zu den Interessenten. Am Montag nach dem Spiel titelt die MOPO: „Der Kampf um Meggle – Fans machen mobil – Berater Bischoff in Spanien und Italien“
St. Pauli schafft am Ende der Saison nicht mehr die Rettung und steigt ab. Wie vermutet reichen die Fan-Aktionen nicht aus, um Meggle zu halten. Ausgerechnet zum Rivalen aus Rostock zieht es den gebürtigen Bayern. Doch die Geschichte hat auch ein Happy End. Nach drei Jahren an der Ostsee zieht es Meggle zurück an die Elbe. Er spielt noch fünf Jahre beim FC St. Pauli, 2014 wird er sogar Trainer und später sportlicher Leiter seines Ex-Klubs. Im November 2016 trennen sich dann die Wege wieder. (mab)
Aufstellung St. Pauli: Simon Henzler – Holger Stanislawski, Oliver Held, Cory Gibbs – Jochen Kientz, Ugur Inceman (77. Matias Cenci), Zlatan Bajramovic (66. Marcao), Henning Bürger (58. Christian Rahn), Thomas Meggle – Nico Patschinski, Marcel Rath